Hab ich schon mal gesagt, dass ich ein Fan von I kveld med Ylvis bin? Das ist eine Late-Night-Show auf dem norwegischen Sender TVNorge mit den Brüdern Vegard und Bård Ylvisåker.
Jetzt könnte man meinen: „Eine weitere Late-Night-Show, na und?“
Und selbst wenn man sieht, dass sie rund zwei Stunden dauert könnte man noch sagen: „Gut, ist halt mal ein wenig umfangreiche produziert als sonst, was soll’s?“ Immerhin kommt sie „nur“ einmal pro Woche.
Man könnte auch sagen, dass sie mit „The Fox“ eines der viralsten Youtube-Videos produzierten, deren sozialkritische Aussage gerade in den USA scheinbar nicht mal im Ansatz verstanden wurde (aber bei Jon Stewart letztens perfekt in einer FOX-News-Satire eingebunden war) und darauf antworten, dass es halt ein kreativer Glücksgriff gewesen sei.
Aber ganz so leicht ist es nicht.
Ein Beispiel: Die Show öffnet jede Sendung mit einem anderen Show-Opener. Ich habe hier mal ein Beispiel des Openers der Sendung vom 16. September verlinkt. Man beachte neben der Höchstleistung der Moderatoren, auf die ja auch noch eine zweistündige Show wartet, allein die unfassbare Größe der Studio-Location:
Hat ich übrigens gesagt, dass das alles auch noch live ist?
Mal zur Relation: Das ist Norwegen. Das ganze Land hat rund 5 Millionen Einwohner, 1 Million weniger als allein die Metropolregion Berlin. Der produzierende Sender hat 75 Angestellte – das sind gerade mal halb so viele wie bei SuperRTL. Das ZDF allein hat 3600!
Und trotzdem produzieren die da immer wieder absolutes Gold. Ein paar Formate der Sendung sind z.B. (Durchklicken wärmstens empfohlen):
- Det kan du vel: verschiedene Versuche in Rotating Rooms (das Bierbrauen ist auch sehr nett)
- Intelevator: Der sprachgesteuerte Aufzug
- Radio Taxi: Das Taxi mit der speziellen Radio Unterhaltung
- Kan dette brukes som vannski: „Kann man das als Wasserski benutzen?“
- Hyss i Småland: Die Moderatoren spielen Michel Lönneberga und es geht eigentlich immer schief.
- Und ausnahmslos jedes von denen produzierte Musikvideo (die sie ja auch weltweit bekannt gemacht hat. Meine Favoriten: Yoghurt, Stonehenge, Trucker’s Hitch, Massachusetts, Work It).
Allein die Tatsache, dass die Moderatoren die verschiedenen Formate auch noch selbst machen, finde ich beachtlich: Egal ob die gewaltige Akrobatik in den rotierenden Räumen, die Gesangseinlagen, die Tanzeinlagen, die vielen Szenen mit beachtlicher Multilingualität, die Interviews, die Live-Konzerte oder die Scherze mit versteckter Kamera. Soviel Einsatz bei rund 300.000 bis 400.000 Zuschauern in Norwegen. Kudos, Yilvis!
(Den Blogbeitrag-Titel können Ylvis-Fans zuordnen, bei allen anderen sorgt er für erhöhte Clickaufmerksamkeit ohne Sinn und Verstand)
Kulturelle Identität! Die Produktion von Fernsehen, Film, Literatur, Kunst, Musik,Mode,Design, neuen Produkten, das ist Alltagsthema in Skandinavien und überdies exportfähig, und nicht Importgeschäft. Dort gibts einen Zusammenhalt, der über die letzten Jahrzehnte dazu geführt hat, daß sich nicht nur kleine Eliten profilieren, sondern alles vorhandene Talent entdeckt, ausgebildet und einbezogen wird. Sie schwafeln nicht von Kreativität und versuchen, sich die Kultur einzukaufen, sie schaffen kreativ, bilden ihre Leute gut aus und sind absolut auf der Höhe der Zeit- wie man unschwer sieht. Wenn man z.Bsp. sieht wie sich das deutsche Fernsehen bei Krimis an die schwedische Produktion hängt, und die Schweden drauf beharren, daß die Finanzierung erst mal den muttersprachlichen Autoren zu internationalem Vertrieb verhilft, dann weiß man, was kulturelle identität ist.
Ja, wirkt so. Wie kommt’s, dass sich kein Eliten-Apparat ausgebildet hat wie in Deutschland oder Österreich? Ist es kulturell, ökonomisch oder soziologisch bedingt? Was denkst du?