Einsam und mit entsetzt ausgestreckter Hand driftet ein Mädchen durch die Weiten des Alls. Verzweifelt versucht sie Sekundenbruchteile vor dem nächsten Raumsprung ihr von Schwerelosigkeit gefangenes, durch kosmischen Staub herum wirbelndes Handy zu erreichen. Sie weiß, sie muss ihm noch eine Nachricht schicken. Es muss jetzt sein, sonst wird die nächste über ein Jahr zu ihm brauchen.
Das junge Mädchen heißt Mikako. Sie ist 15 und fliegt im großen Krieg gegen die Trasianer einen Mech-Roboter. Der Nachrichtenempfänger ist Noboru, der weiterhin auf der Erde die High School besucht. Kurz vor Mikakos Einzug in die Infanterie haben sie beide all ihre Zeit geteilt. Nun ist sie vom Planeten Mars unterwegs an die Außenbezirke des Sonnensystems, trennt sie eine immer größer werdende Distanz. Nur das sonore Piepsen einer durch den Raum wirbelnden SMS hält die beiden zusammen. Doch genau, wie sich Mikako um Lichtwochen und -monate entfernt, desto länger benötigen ihre Nachrichten. „Das ist wie die Landpost des 20. Jahrhunderts“, sagt Noboru einmal ernüchtert. Entsetzt stellt Mikako schließlich fest, dass sie der nächste Raumsprung nun bereits über 8 Jahre voneinander trennen wird.
Voices of a distant Star ist Shinkais erster richtiger Kurzfilm, den er quasi im Alleingang auf seinem Mac produziert und mit seiner Verlobten eingesprochen hat. Er bildet gemeinsam mit „A Place Promised in Our Early Days“ und „5 Centimeters per Second“ eine Art Trilogie um das Thema Distanz und das Aufrechterhalten von Freundschaft und Liebe jenseits von Raum und Zeit: Während für Mikako nur Sekunden vergehen, ist Naboru bereits um Jahre gealtert, hat über Monate oder Jahre nichts mehr von ihr gehört. Die Einsamkeit des Weltalls zerreißend und sehnsüchtig nach der alten Zeit muss Mikako Noboru ihre Liebe zu ihm gestehen, wohl wissentlich, dass dieser ihre Nachricht erst in über 8 Jahren erreichen und sie vermutlich längst vergessen haben wird: „Hallo Noboru, du bist jetzt 24. Hier meldet sich die 15-jährige Mikako.“ Gleichzeitig muss sich Noboru auf der Erde die Zuneigung und Liebesbekundungen von Mikako, unvereinbar durch Lichtjahre getrennt, über einen quälenden Zeitraum von Jahren des Erwachsenwerdens ertragen.
Erneut definiert Shinkai das Aufgeben dieser Bindungen als pragmatisch korrektes erwachsen werden: „8 Jahre Lichtgeschwindigkeit ist wie eine Ewigkeit. Die Zeit zwischen uns driftet immer weiter auseinander. Deshalb habe ich mich entschlossen, mein Herz zu schließen, es kälter und stärker zu machen. Ich kann nicht für immer an die Tür klopfen, die sich niemals für mich öffnen wird. Ich muss endlich erwachsen werden.“ So lauten die Gedanken Noborus, als Mikako zum nächsten Raumsprung ansetzt.
Voices of a distant Star kommt zwar weder zeichnerisch noch storytellingtechnisch an Place Promised in Our Early Days oder 5 Centimeters ran, zeigt aber erneut gekonnt, wie genial Shinkai ein allgegenwertiges Thema in eine wunderbare Parabel verpacken kann. Sie bildet auch gleichzeitig eine gewisse Antithese zu 5 Centimeters, der die Drastigkeit dieses „Nicht-Erwachsend-Werdens“ vor Augen führt. Auch wenn „Voices“ hier eine viel positivere Grundstimmung mitbringt als seine Nachfolger, will ich mich Shinkais Pragmatik-Grundtenor weiterhin nicht anschließen. Wenn Mikako in ihr Handy den simplen und doch völlig ironischen Betreff tippt: „Ich bin ganz nah“, dann hat allein diese Ironie eine so inhärente Schönheit, dass es für sie eine Schande wäre, das eigene Herz zum Selbstschutz möglichst rasch einzueisen und die Türe abzuschließen. Ich glaube weiterhin nicht daran, dass wir durch möglichst hartes Emotions-Training erwachsen werden. Unser Herz wird nicht daran wachsen, wenn wir Sachen ausschließen, sondern wenn wir lernen, auch schmerzhafte Erkenntnisse darin aufrecht zu halten. Ich will mir diesen letzten Rest Schönheit und emotionalen Anstand und, ja, auch dieses kleine Fünkchen Kindheit, das jeder physikalischen Gegebenheit und jeder Realität zum Trotz auch mal an seinen Gefühlen und nicht an den Fakten festhält, einfach nicht nehmen lassen.