Als ich am Montag Sucker Punch angeschaut habe, musste ich immer wieder an den Film „Die unbarmherzigen Schwestern“ denken. Vielleicht, weil der Anfang und das Ende des Films sich ziemlich ähneln. Vielleicht auch, weil ich mir einfach nur gewünscht habe, jetzt einen guten Film zu sehen. Vielleicht auch, weil es in beiden Filmen um junge Mädchen geht, die aus einer Anstalt zu fliehen versuchen.
„Die unbarmherzigen Schwestern“, wenn auch ein völlig anderes Genre, hat dabei all das, was dem Puncher fehlt – allem voran eine herausragende Schauspiel- und Regieleistung. Viel schlimmer noch aber ist die Tatsache, dass die gezeigten Greultaten der Wahrheit entsprechen. Als ich den Film 2002 in einem Hinterhof-Kino in Augsburg sah, alleine, hatte ich mich auf ein tröges Drama eingestellt. Tatsächlich bekam ich irgendetwas, dass sich gekonnt zwischen Frauenknastfilm mit Anspruch und feinfühliger Geschichtsaufbereitung bewegt. Mit Sicherheit hat mich kein Film 2002 so beeindruckt und die Thematik war ein kleiner Eye-Opener zu einem Thema, das mir bis dahin überhaupt nicht bewusst war.
Der Film spielt im Irland der 1960er Jahre und beschreibt das Leben von drei jungen Frauen, die von ihren Familien in ein Magdalenenheim gesteckt wurden. Die Mädchen arbeiten fortan in der klostereigenen Wäscherei. Schon kleinste Vergehen wie Widerworte oder der Kontakt mit Außenstehenden werden hart bestraft. Es folgen Demütigungen bis hin zu sexuellen Nötigungen, die zwei Mädchen dazu bewegt, die Flucht zu ergreifen.
Des Besondere: Die Magdalenenheime gab es wirklich – und das noch bis 1996. Himmel, das sind gerade mal 15 Jahre… Was darin abgegangen sein muss, klingt nach üblem Horror in de-Sade-artiger Arbeitslager-Manier. 30.000 Frauen beherbergten diese Heime. Das war also kein Kindergeburtstag – das war Misshandlung im großen Stil und mit System. Die Vorgehensweise ist geradezu unheimlich: Begang ein Mädchen eine Schandtat -also beispielsweise sexuelle Handlungen vor der Ehe- wurde es praktisch über Nacht von der Kirche abtransportiert, in das Heim gesteckt und praktisch für immer eingesperrt. Dass eine solche Einrichtung existierte, wussten viele der Mädchen nicht mal – und es wurde auch nicht darüber gesprochen. Sie waren kein Teil mehr der Gesellschaft. Die Ordensschwestern und Priester benutzten die Insassinnen dann neben kostenlosen Arbeitskräften häufig auch zum eigenen Vergnügen. Konträrer (oder einfach nur perverser?) kann sich die katholische Botschaft der Nächstenliebe vermutlich nicht outen.
2002 hielt ich den Film für eine Randerscheinungen, die möglicherweise nur mich so nachhaltig beeindruckt hat – vielleicht auch, weil ich selbst an einer Klosterschule war. Mittlerweile hat mir wikipedia aber verraten, dass der Film durchaus eine große Kontroverse aufgeworfen hat. Das freut mich insofern schon, dass man für Grenzüberschreitungen nicht immer gleich am Jugendschutz-Level schrauben muss, sondern auch mit Themen noch die Gemüter erhitzen kann. Der Vatikan verbot den Film umgehend. Demgegenüber bemängelten einige ehemalige Insassinnen der Magdalenenheime aber sogar, der Film sei insofern realitätsfern, als die tatsächlichen Zustände in den Heimen erheblich brutaler gewesen seien.
Angestachelt von der Debatte, die der Film bis heute ausgelöst hat, habe ich mir jetzt die Dokumentation „Sex in a Cold Climate“ angeschaut, in dem vier ehemalige Insassinnen solcher Heime ausgesagt haben. Jetzt, rückblickend nachdem ich mir den Film nochmal angesehen habe, wirken diese Zeitzeugen der wahren Begebenheiten noch mächtiger auf mich.
Die restlichen Teile gibt’s bei der Tube. Was mich aber auch beeindruckt hat, waren die Aufnahmen dieses Typen, der 2008 einen abgebrannten Magdalenen-Stift besuchte. Sehr unheimlich, die Bilder eines Spielfilms in so real-ungeschminkter Form zu sehen.
Beeindruckender Film! (und ich mein nicht Sucker Punch 🙂