Von PressTV zu joiz

Ich hab mich schon Jahre nicht mehr mit Sat-DXen beschäftigt, obwohl es mal eine meiner Haupt-Freizeitbeschäftigungen war. Primär liegt es natürlich daran, dass ich seit gut 10 Jahren keine Sat-Schüssel mehr habe. Ab und zu schaue ich trotzdem so ein wenig in die TV-Landschaft und wundere mich, dass tatsächlich immer noch Sender gestartet werden. So startet heute beispielsweise joiz Deutschland. Der Sender ist bereits in der Schweiz aktiv und mir deswegen in Erinnerung, weil er vor einem Jahr den Astra-Sendeplatz des von der Zwangsabschaltung betroffenen Senders PressTV übernommen hat.

PressTV ist ein internationaler Nachrichtensender aus dem Iran, der am 3. April 2012 auf Geheiß der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien von seinem Sendeplatz des Satelliten SES Astra verbannt wurde. Die BLM gab an, der Sender habe keine Senderechte für Europa. Ich habe mir ja schon mal überlegt, eine Anfrage an die BLM bezüglich der europäischen Senderechte von FOX NEWS im Jahre 2001 zu stellen. Damals hatte sich FOX NEWS den amerikanischen Stream FTA sogar noch analog auf Astra aufgeschaltet und mindestens ebenso widerwertige War-on-Terror-Propaganda direkt über Europa ausgeschüttet, um die Unterstützung der Europäer zu gewinnen (okay, zugegeben: im spanischen Canal+ Paket war er damals auch schon integriert).

Vor einem Monat hat dann auch Eutelsat und Intelsat die Verbreitung von PressTV via Satellit eingestellt. Als Grund gab man die Sanktionen gegen den Iran an. Der Sprecher der EU-Außenpolitik Michael Mann habe jedoch klargestellt, dass die EU-Sanktionen gegen den Iran die Medien nicht einschließe. Es muss also irgendeinen anderen Druck gegeben haben, welche die Sat-Betreiber dazu gezwungen hat, die Programme abzuschalten. Wo sich das Internet jedenfalls noch halbwegs erfolgreich gegen Zensurmaßnahmen wehrt, scheint sie bei allen anderen Verbreitungswegen bereits erfolgreich angekommen zu sein.

Nur um das vollständig klar zu machen: PressTV hat ohne Zweifel Ansichten, die ich nicht teile. Die hat CCTV aber auch. Oder FOX NEWS. Ja, und gerade auch die BBC. Oder Russia Today. Selbst die Deutsche Welle. Von Aktionen wie TV Marti will ich garnicht erst sprechen. Aber darum geht’s heute nicht.

Als ein Freund der Demokratie und der Redefreiheit steht für mich der Pluralismus der Medien an erster Stelle. Schließlich ist sie die Grundvoraussetzung zur freien Entfaltung einer eigenen Meinung. Das letzte, was die Medien sein dürfen, ist ein gleichgeschalteter Volksempfänger. Genau das war aber auch ein Hauptgrund meiner Entscheidung, Kommunikationswissenschaft zu studieren: Nur, wer alle Seiten einer Geschichte studieren kann, kann sich auch ein Bild machen und ist in seiner Entscheidungsfindung frei.

Ich habe in letzter Zeit das Gefühl, wir verlieren auch die Ausbildung zu dieser Medienkompetenz mit abnehmendem Medienpluralismus zunehmend aus dem Auge. Nur mit kritischer Herangehensweise, geringstmöglicher Vorselektion und größtmöglicher Objektivität werden wir zu den richtigen Ergebnissen kommen – und vielleicht der Wahrheit und einer besseren Demokratie einen Schritt näher kommen. Dass uns Medien und Informationen immer beeinflußen werden, steht außer Frage – aber selbst die Versuche, Informationen kritisch zu verarbeiten, scheinen trotz hoher Selbstbestimmungsfreiheit durch das Internet mehr und mehr im Keim zu verharren. Zu stark erscheint mir der Druck nach Vorselektion, zu vorgekaut die Suchergebnisse in sozialen Netzwerken, zu gelenkt der tägliche Ausflug auf die immer gleichen Internetseiten.

Ich merke das sogar bei mir – und das, obwohl ich genau jene Befähigung zur distanzierten Inhaltsbeurteilung meinem Studium am Höchsten anrechne. Ob es Unfähigkeit, Faulheit oder Zeitmangel ist weiß ich nicht genau – vermutlich von allem etwas. Jedenfalls ist es schade, dass einem im Prinzip nur das Studium Zeit für diese Blickwinkel lässt. Früher habe ich es genossen, jeden Tag Nachrichten aus einem anderen Land zu lesen, zu vergleichen und dabei festzustellen, wie verschoben doch all unsere Medienrealitäten sind. Später habe ich diese Erkenntnis vielleicht auch ein paar Mal verflucht, wenn man die Füße stillhalten muss, sobald der Großteil des eigenen Umfelds der eigenen Vorselektion erliegt und sich in eigenen Wahrheiten eines verengten Horizonts verfestigt. In der Arbeitswelt ist das im besten Fall bei Business- oder Projektentscheidung noch von Nutzen – auch dort allerdings möchte ich diese Ausbildung definitiv nicht missen.

Noch „schader“ empfinde ich nun aber eben jenen Entzug jeglicher Datengrundlage. Internet hin oder her – PressTV verschwindet de facto vollständig von der westlichen Satelliten-Oberfläche und wurde nun auf Astra eben ersetzt durch joiz. Was genau der Sender macht, erklärt dieses Video:

Irgendwie tut diese Ironie schon etwas weh.

Während uns die Möglichkeit der umfassenden Informationsfreiheit entzogen wird, dürfen wir uns nun im Sandkasten gegenseitig „sozialisieren“ – schön unter uns. Und blos nicht die weite Welt und andere Blickwinkel betrachten, das könnte uns ja vielleicht auf dumme Gedanken bringen. Selbst der Kabelnetzbetreiber UPC hatte sich mit der Begründung gegen die Einspeisung von Joiz in sein analoges Netz gewährt, es könne aus dem „banalisierten Inhalt“ des Programms weder ein „kultureller, noch ein gesellschaftlicher Mehrwert geschöpft werden“… Mir persönlich wäre es jedenfalls definitiv lieber, die Netzbetreiber würden sich anstatt gegen joiz (gegen das ich persönlich garnix habe) einfach nur für mehr Pluralismus stark machen.

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