TV-Kritik: „I kveld med Ylvis“ (S05E01)

Die Eröffnung der aktuellen Ylvis-Staffel war wie immer phänomenal, aber seht selbst (bei Youtube einfach unten über den Untertitel-Button die Untertitel anmachen, wenn man nichts versteht, außer beim ersten Video der Playlist – da geht es noch nicht – ihr braucht es aber da auch noch nicht zwingend…) 😉


(Youtube-Playlist mit mehreren Videos, bitte durchlaufen lassen)

Ich mache mir vor jeder Ylvis-Sendung durchaus viel Gedanken, was man noch so machen könnte und die beiden Jungs schaffen es doch immer wieder, mich zu überraschen. Ich hatte hier ja schon mal gesagt, das „I kveld med Ylvis“ aus dem norwegischen TV Norge zum besten Night-Talking-Format in Europa gehört. Der Arbeitsaufwand und die Kreativität pro Sendung ist enorm und konstant hoch – und das obwohl die Show auf norwegisch natürlich nur eine vergleichsweise kleine Zielgruppe hat (Norwegen hat weniger Einwohner als die Metropolregion Berlin – und dann schaut euch mal zum Vergleich einen Sender wie TV Berlin an…). 😉

Die erste Folge der fünften Staffel hatte einige Highlights und einige weniger überragende Momente. Generell enttäuscht hat mich diesmal Sidekick Calle. Während ich „Calle’s Minute“ in Staffel 4 ganz herausragend fand, führt er in der ersten Sendung „Calle’s Bror“ ein – eine böse Variante von Calle. Es ist im Prinzip ein böser Seitenhieb auf unlustige Streichsendungen. Eigentlich sind Ylvis ein Garant für sehr liebevolle und kreative Streiche, bei denen grundsätzlich am Ende sie leiden und nie derjenige, dem ein Streich gespielt wird. Calle dreht mit seinem bösen Bruder die Sache (ganz bewusst) um und lässt ohne jede Selbstreflexion nur seine unbedarften Opfer leiden – um dabei keine Miene zu verziehen. Das ist natürlich weder recht lustig (auch wenn sich einige Zuschauer von ihrer Schadenfreue wohl nicht vom Lachen abhalten lassen) noch besitzt es die satirische Spitze, um das ganze als eindeutige Medienkritik auffassen zu können. Vielleicht kommt da noch was. Bis dahin ist es für mich nicht lustig und damit ein Dislike.

Ganz herausragend dafür wieder alle Sachen der beiden Ylvis-Brüder selbst. Das plötzlich abgebrochene Interview mit Susanne Sundfør ist genau die kreative Magie, die „I kveld med Ylvis“ ausmacht. Toll: Die Zuschauer sind perfekt gebrieft (wie man in den Warm-Up-Aufnahmen der Show entnehmen kann) und zücken pünktlich zum Musical die Taschenlampen ihrer Handys (vor allem beeindruckend bei Minute 2:10 des Videos in der Playlist – und ich dachte erst, sie hätten extra Knicklichter verteilt)! Auch der A-Capella-Song am Ende der Sendung ist großes Kino – nichts allzu tiefgreifendes, aber ein erneutes schönes Augenzwinkern gegenüber der Musikindustrie und ihrer Musikvideos – diesmal eben auf A-Capella-Gruppen, allen voran Pentatonix. Fantastik!

Moro i mørket ist einer der üblichen Ylvis-Mutproben. Hier geht es darum, Aufgaben in vollständiger Dunkelheit zu lösen, während eine Nachtbildkamera alles mitverfolgt. Simpel aber effektiv. Die Herausforderung in der ersten Episode der fünften Staffel hat mich so halb überzeugt. Es geht darum, als Koch (quasi einer Kochshow) einen Salat vorzubereiten. Neben den üblichen Lebensmitteln gibt es auch einige Exoten. Die Mutprobe spielt ein wenig auf Ekelshows an (was aber der Redaktion zu verdanken ist, weil das Moderatorenteam natürlich nicht weiß, was auf sie zukommt) und meiner Meinung nach hat Ylvis besseres verdient. Andererseits meistern die drei ihre Aufgabe eigentlich sehr gut und mit viel Humor, so dass ich z.B. das zur Schau stellen von Maden oder toten Mäusen in dem Zusammenhang weniger daneben fand als beim reinen Unterschichtenfernsehen. Es wurde vorher schon eine andere Episode des Formats veröffentlicht, in der die drei einen Schlüssel finden und damit einen Safe knacken müssen. Gleichzeitig befinden sich schlafen Nudisten im dunklen Keller. Wenn sie ein Geräusch machen, wachen Sie auf und werden zu Zombies. Das fand ich allein schon aus kreativer Sicht viel, viel besser, geradezu genial. Also gehe ich auch hier aus, dass sich das Format nochmal deutlich steigert.

Der Sketch der Woche ist das neue Improvisationsformat von Ylvis, eine Satire auf volkstümliche Sektchshows und find ich vom Prinzip eigentlich sehr gelungen: Es wird ein Thema zufällig ausgewählt. Außerdem wird gewürfelt, wer die Hauptfigur spielt. Danach müssen sie sich in 45 laufenden Sekunden eine Situationskomik überlegen, die zum Zufallsthema passt. Exakt zum Ablauf der Zeit muss eine Punchline kommen. In der Playlist oben sieht man im Video, wie das diesmal funktioniert hat – ich sag mal: „Okay!“ Insgesamt sind die improvisierten Reimsachen von Ylvis schon deutlich besser – z.B. die gereimten Newsmeldungen oder auch der Improvisationsgesang im Bus (siehe hier). Vielleicht entwickelt sich das auch noch, zumal Improvisation eben immer schwankend ist.

Summa summarum eine ambivalente Sendung. Die Eröffnung war wie immer umwerfend und alle Musikeinlagen genial bis super, alleroberste Unterhaltungsliga. Die Sketche sind diesmal mittelmäßig. Kein Vergleich zu Staffel 2 oder 3. Ich habe ein wenig den Eindruck, dass sich Ylvis zu sehr dem Druck hingibt, sich selbst übertreffen zu müssen. Beim Sketch ist z.B. die Frage, ob nicht die Einfachheit des spontanen Songtextens weiter funktioniert hätte. Andererseits: Manchmal gelingt es Ylvis genau deswegen eben doch, sich selbst zu übertreffen – und wenn es diesmal nur die surreale Eröffnung der fünften Staffel war. Genau aus dem Grund geht bei mir auch weiterhin der Daumen deutlich nach oben. Denn wenn durch die kreative Schaffenskraft weiterhin solche Perlen rauskommen wie bislang, dann vergebe ich gerne, dass beim Ausprobieren neuer Sachen der ein oder anderer Ausrutscher dabei ist. Oder anders gesagt: Der Mut gehört weiterhin belohnt und dass Ylvis keine reine Deppenunterhaltung macht, brauchen sie niemanden mehr zu beweisen.

Aprospos Mut und Satire: Die Staffel wird wohl einen gesellschaftskritischen Unterton behalten. Die Sendung wurde dieses Jahr von TV Norge so spät gebucht, dass die beiden Ylvis-Brüder an einem Termin angeblich gar keine Zeit haben. Sie befinden sich da gerade auf Reisen. Deswegen haben sie für diese Sendung polnische Gastarbeiter (!!) gebucht, welche die ganze Sendung schmeißen müssen. Einer von ihnen kann nicht mal Englisch – geschweige denn Norwegisch. Die Sendung läuft immer live (!!!) – egal was dort passiert, aber die ganze Aktion allein macht für mich klar: Höhen hin, Tiefen her – so schnell stößt „I kveld med Ylvis“ niemand vom Show-Thron… Boodelooap!

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