Liftige Alpenpolitik

In meiner Touren-Mappe befinden sich ja mittlerweile wirklich viele Tourenideen. Meistens plane ich Ideen für Aktivitäten oder Wanderungen ein wenig an, prüfe Zugverbindungen, Höhenmeter, Machbarkeit, Hütten oder die Kombinationsmöglichkeit mit anderen Touren. Gefällt mir, was ich sehe, nehme ich die Idee auf und hefte sie ab. Dabei spielt es für mich keine Rolle, wann ich die Aktivität mache – irgendwann wird schon die richtige Zeit dafür kommen.

Manchmal macht einem natürlich die liebe Zeit auch einen Strich durch die Rechnung.

Beispielsweise bin ich ein großer Fan von alten, gemütlichen Sesselliften – vor allen Dingen die alten Einersessel. Und so gibt es eine ganze Reihe an Touren unter Nutzung solcher Oldtimer, die an sich ja auch schon ein eigenes Erlebnis sind. So befindet sich schon seit 3 Jahren die Rofan-Überquerung im BastiTours-Event-System (und einige von euch sind dort auch noch immer vorgemerkt). Die Tour beinhaltet eine Wochenend-Wanderung über das Rofan-Gebirge unter Ausnutzung von Bahn und Lift. Denn damit lässt es sich tatsächlich bequem in zwei Tagen von Karmsach nach Maurach wandern und die meisten wichtigen Gipfel mitnehmen:

Mit dem Meridian geht’s nach Kufstein, von dort mit der S-Bahn nach Karmsach-Brixlegg. In Kramsach nimmt man dann den urigen Sonnwendjoch-Lift von Wopfner auf das Sonnwendjoch und wandert im Auf- und Ab über den traumhaften Zireiner See, die namensgebende Rofanspitze und die spektakuläre Haidachstellwand zur Erfurter Hütte. Am nächsten Morgen nimmt man dann noch Hochiss und Streichkopf mit, kehrt in der Dalfázalm ein und endet am idyllischen Achensee, wo man noch ein wenig die Abendsonne am Wasser genießt, bis einem der RVO-Bus nach Tegernsee bringt – und von dort mit der BOB zurück in die Heimat. Eine Wahnsinnstour – bei gerade mal 20 Kilometer Länge und ca. 1.500 Höhenmeter auch noch super für weniger Konditionierte locker an zwei Tagen zu machen.

(„Rofan from Ebner Joch“ von Svíčková – Eigenes Werk. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.)

Nun steht überraschenderweise der Kramsacher Sonnwendjochlift diese Saison still. Das bringt gleich mal nahezu die doppelte Menge an Höhenmeter in die Wanderplanung. Für Ausdauernde wäre das natürlich schon irgendwie zu machen – aber da ich auf der Hütte gerne mit ein paar mehr Leuten bin brauche ich bei der Planung auf alle Fälle auch ein bischen Zeitpuffer. Und der Weg zur Erfurter von Brixlegg an einem Tag wird damit zur Mammuttour, die ich der schönen Natur, die auch mal Zeit zum Verweilen braucht, eigentlich nicht zumuten will. Außerdem find ich gerade das Erlebnis der Einsersessellifte so passend als Einstieg in das Rofan-Gebiet: Oldtimer aus den 60er Jahren, noch mit Seitenbügeln und roten Sesseln. Der letzte Einsersessel von Wopfner. Und damit in 20 Minuten langsam schaukelnd raus aus der Zivilisation rein in den wundersamen Kessel dieses Gebirges!

Was war also passiert?

Die Bergbahnen sagen, man warte auf ein Gutachten zur Sicherheit des Liftes. Durch abmontierte Sessel muss die Seilspannung neu geprüft werden. Außerdem fehlen Arbeitsgitter an den Stützen. Darum fehle die Zulassung zum Betrieb dieses Jahr.

Die anderen Parteien sagen: Eigentlich sind mittlerweile alle Dokumente vorhanden, die man braucht, um die Auflagen für dieses Jahr zu erfüllen. Die Nachfolgefirma von Wopfner hat sogar bekannt gegeben, dass alle Ersatzteile zum Flottmachen des Liftes lieferbar seien. Selbst die alten Sessel von Wopfner, die nicht mehr gebaut werden – aber durch andere abgebaute Lifte im Lager liegen. Details dazu liefert z.B. der Rofankurier hier.

Die Vermutung vieler Kramsacher: Die Alpbacher Bergbahnen wollen den ungeliebten Altlift nicht mehr in Betrieb nehmen und auf Zeit spielen. Denn 2016 läuft die Konzession und damit die Betriebspflicht ab. Dann könnte man den Lift endgültig abtragen.

Ich bin natürlich dagegen.

Aber nicht nur, weil ich dort noch eine Wandertour vorhabe oder weil ich eben ein Sessellift-Fan bin. Ich fürchte wirklich, dass uns sukzessive die vergangene Liftkultur verloren geht. Warum wird solchen Anlagen nicht die gleiche kulturelle und gesellschaftliche Liebe und Aufmerksamkeit entgegen gebracht wie anderen Oldtimern? Immerhin handelt es sich hier um wahre Ingenieurs-Meisterleistungen, auf welche die Österreicher zu Recht stolz sein können. Wir müssen ja nicht alle behalten, aber wenn wir auch die letzten abmontieren ist für die Nachwelt nichts mehr konserviert – und die Technik von damals wird bestenfalls noch in Fotos weiterleben und ist als Erlebnis für immer verloren.

Wir konservieren abertausende Sachen in Museen. Warum nicht auch mal einen Lift? Warum sieht man diese Oldtimer nicht als Marketing-Chance? Heute laufen hunderte Menschen in die alten Salzbergwerke, um zu sehen, was früher „State-of-the-Art“-Industrie war. Paternoster-Lifte genießen den Ruf des besonderen und manche Menschen reisen nur deswegen durch die Welt auf der Suche nach dem nächsten Oldtimer-Lift. Und ein DeLorean ist heute ein absolutes Kultauto, das zehntausende Euros wert ist. Wo bleibt das Lift-Freilicht-Museum?

Um up-to-date zu bleiben, bin ich jetzt mal einer Facebook-Gruppe beigetreten, die den Erhalt des Liftes fordern und an einer Petition arbeiten. Was man da erlebt ist schon nahezu skurill. Als arroganter „Piefke“ könnte ich fast das Wort „alpenländisch-kleinbürgerliches Schmierentheater“ in den Mund nehmen: Wirklich offener Dialog scheint irgendwie nicht statt zu finden: Da wird hinten rum integriert, Druck ausgeübt, Veranstaltungen kurzfristig abgesagt und sogar die Leute innerhalb der Interessensgruppe gegeneinander aufgebracht. Ein Beispiel?

Da postet Aktivistin A, dass Aktivist B sie hintergangen habe. Er habe einen geplanten Infoabend wegen Krankheit seiner Ehefrau kurzfristig abgesagt und sei zurück in die Heimat gefahren, obwohl diese gar nicht krank sei und er in der Gegend gesehen wurde. Es werden innerhalb von Sekunden Vermutungen laut, er gehöre jetzt der Gegenseite an. Aktivistin fordert die Löschung der Petition und informiert frustriert alle Teilnehmer, dass der Abend nicht stattfinde. Ich hab dann versucht, ein wenig zu beruhigen und erst mal weitere Informationen einzuholen, was denn wirklich passiert sei: Warum hatte Aktivist B das gemacht? Was hätte er davon? Wurde Druck ausgeübt? Warum wurde er noch nicht gefragt, was los war? Warum will Aktivistin A jetzt plötzlich die Petition löschen? Warum bleibt niemand ruhig und spricht einfach erst mal miteinander? Alle anderen Teilnehmer der Gruppe sind zu diesem Zeitpunkt jedenfalls vollständig konfusiert. Kurze Zeit später kehrt Aktivist B zurück und postet Videos von seinem Besuch in Kramsach und Kufstein und plötzlich tut sich wieder alles so, als wär nichts gewesen. Teile der Gemeinschaft dürften zu dem Zeitpunkt kaum mehr wissen, was eigentlich los ist. Deutlich später sagt Aktivist B dann dem Rofankurier:

„Kurz vor der Veranstaltung haben mich aber einzelne „schwarze“ Gemeinderäte bedrängt, das Ganze abzublasen. Es bringt ja nichts, haben sie gesagt. (…) Ich habe dann auf unsere Facebook-Seite gepostet, ich wäre krank. Aber in Wirklichkeit habe ich mich einfach nicht mehr getraut. (…) Ich weiß nicht, was im Gemeinderat in Kramsach abgeht, ich kann dazu auch nichts sagen, ich bin nur ein Fan des Sesselliftes (…)“

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Auch wenn ich stiller Beobachter aus der Ferne bin, steht es mir  nicht zu, die Machbarkeiten vor Ort zu evaluieren und ich bin von dem Engagement dieser Leute absolut angetan. Ohne sie gäbe es vermutlich den besagten Rofankurier-Artikel nicht mal.

Aber diese Form der Politisierung für ein eigentlich doch recht gewöhnliches Bürgerthema begreife ich nicht. Wovor haben denn diese Leute Angst? Eine wichtige Aufstiegshilfe für den Tourismus, die Bürger und für die Liftkultur hat Auflagen. Diese müssen erfüllt werden. Außerdem muss man über die Zeit nach Ende der Betriebspflicht reden. Man würde doch erwarten, dass man für so eine banale Sache alle Beteiligten an einen Tisch kriegt und erst mal über Möglichkeiten diskutiert.

Ich versuche ernsthaft, vorurteilsfrei zu bleiben, aber wenn mir (auch österreichische) Freunde sagen, die Buckelei-Gesellschaft samt Schmiererei laufe bei unseren Nachbarn nochmal ne ganze Ecke direkter ab, dann hab ich bei solchen Geschichten das Gefühl, ich hab nicht mal im Ansatz eine Ahnung, wie verstrickt dort Politik und Wirtschaft sein kann. Da sind die Deutschen mit Elbphilharmonie und BER ja fast noch kreativ. 😉 Ich bin böse, ich weiß.

Also: Wenn die Alpbacher Bergbahnen wirklich rein auf Zeit spielen, obwohl eine Betriebspflicht besteht, dann frage ich mich schon, ob man mit solche Behauptungen (man hätte kein Gutachten gekriegt), wirklich durchkommt. Und wenn man doch an sinnvollen Lösungen interessiert ist, warum debattiert man nicht die Kosten und mögliche Fördermaßnahmen? Wie kommen die Diskrepanzen zwischen den Rofankurier-Berichten und der Kone zustande, Österreichs stärkstes Boulevardblatt. Diese hält die rasche Instandsetzung des spontan stillgelegten Lifts für reine „Illusion“, hatte aber zu den Auflagen schön brav nur die Alpbacher Bergbahnen befragt. Wurde wirklich Druck gemacht, Infoabende abzusagen? Wenn das stimmt: Wie peinlich ist das denn? So ein Lift ist schließlich kein Kellerkind (sorry!), das niemand sieht. Jeder Urlauber sieht, dass er steht. Jeder Bürger weiß es. Jeder Wanderer und Wanderführer sieht das Problem. Die Zukunft des Sonnwendjochhauses hängt davon ab. Ist es wirklich realistisch, all diese Leute mundtot zu machen? Wer professionell korrumpiert lässt die Leute wenigstens formal zu Wort kommen, um Bereitschaft zu signalisieren und die Gemüter zu beruhigen, und macht halt dann doch was anderes.

Kurz: Ich steig da überhaupt nicht durch. Entweder läuft das in Tirol einfach noch viel vetternwirtschaftlicher ab als in Bayern und man kann so arbeiten oder irgendjemand hat seine Rechnung ohne aufmerksame Bürger gemacht. Wo wir beim Thema wären:

Die Petition gibt es natürlich weiterhin und wer sich für Oldtimer-Lifte oder unsere Rofan-Tour einsetzen will, der unterschreibe bitte auch hier. Das Wanderherz dankt!

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