Große Dongles, Nackte Hemden und ein Tritt in den Rücken

Notiz am Rande: Journalist und Krautreporter Tilo Jung hört auf.

Das ist eine weitere dieser Shitstorm-Episoden, bei welcher wegen eines simplen Mißverständnisses die entsprechenden Personen auf Grund von möglicherweise sexistischen Anspielungen ihren bisherigen Job verlieren:

Tilo Jung hatte ein Foto von Buzzfeed UK geretweeted (eine Parodie auf die Murados Mann-Fotostrecke) – zum Frauentag (Erklärung). Daraufhin hat sich Juliane Leopold von Buzzfeed Germany über Jung beschwert, weil er frauenfeindlich sei. Auf die Frage, warum man sich jetzt bei Jung beschwere und nicht bei Buzzfeed UK, kam die Antwort, dass man ja für Buzzfeed UK keine Verantwortung trage. Außerdem sei es einfach daneben, sowas am 8. März zu verbreiten. Auf meine Frage, ob es nicht auch daneben sei, die Konkurrenz zu diskreditieren, während man die eigenen Kollegen gewähren lässt, blieb unbeantwortet.

Konsequenz: Tilo Jung hört mit dem Journalismus auf und geht.

Schade. Ich hab sein Konzept gerne verfolgt und er hat definitiv einige wichtige Aussagen von Politikern produzieren können.

Der Fall erinnert mich an das Rosetta-Hemd oder die Situation von Adria und Hank.

Kann mir eine der Frauenrechtlerinnen das irgendwie mal erklären: Ich verstehe, dass man sich für Frauenrechte und Gender-Gerechtigkeit einsetzt. Ich mache das sogar hin und wieder beruflich. Aber ich verstehe nicht, warum man es dabei auf die Existenz der Personen ankommen lässt, gegen die man vorgehen will – und sich dabei auch noch gut fühlen kann. Allein die Verhältnismäßigkeit in den drei genannten Fällen stimmt schon nicht.

Meine einzige Erklärung bislang dafür ist die: Hass.

Und tut mir leid: Wenn ich die Wahl zwischen dem Kampf gegen gesellschafts-durchsetzten Sexismus und den Kampf gegen existenz-zerstörerischen Hass habe, dann bin ich ganz eindeutig erst mal gegen die Erzeugung von Hass. Die Art, wie hier versucht wird Debatten zu führen, ist weder fair, noch demokratisch noch zielführend. Ich glaube an Problemlösung im Dialog. Der findet nicht statt: Alle diese drei Personen (Tilo, Matt, Hank) haben sich entschuldigt (ich weiß nicht mal genau, für was, aber die Beschwerdeführer werden schon wissen, was sie falsch gemacht haben). Nicht mal diese Entschuldigung wurde akzeptiert.

Das ist keine Debatte. Es ist nicht mal Widerstand. Von friedvollen Widerstand ganz zu schweigen. Es ist ein Kampf ohne auch nur die Chance auf Begnadigung. Es wird auf Leute eingedroschen, wo sie längst am Boden sind.

Daran glaube ich nicht. So kämpfe ich nicht mit.

0 Gedanken zu “Große Dongles, Nackte Hemden und ein Tritt in den Rücken”

  1. Emanzipation der Frauen bedeutet nicht Matriarchat. Ich mag starke Freuen, weil man mit ihnen auf gleicher Augenhöhe umgehen kann. Stärke aber dokumentiert sich bei uns allen in erster Linie durch belastungsfähige Persönlichkeiten, Ruhe, Geduld,Können, Toleranz und Mitgefühl und nicht durch Denunziation, Gekreisch, Hass und Hysterie. Aber wie das Konzept verstanden wird, ist letztendlich auch eine Frage der individuellen IQ´s und EQ´s, und da liegt der hase im Pfeffer. Dummheit ist kein Geschlechtsmerkmal.

  2. Was du anscheinend gerne hättest, lieber Basti, ist ein Dialog. Was Kreischer und Hysteriker wollen, ist Rechthaben um jeden Preis. Da sind so Details wie Logik, Hintergründe, Zusammenhänge und faire Vorgehen doch sowas von unwichtig!
    Dass Rumkreischen, andere Meinungen unterdrücken und Leute wegen Nichtigkeiten diskreditieren kontraproduktiv ist und eben nicht der Sache dient scheint niemandem aufzugehen. Wie du schon sagst: iiihhh, Kuh! Alles Rindviecher.

    1. Interpretiere ich deine Aussage so also richtig, dass dementsprechend unter dem Emanzen primär Kreischer und Hysteriker sind, welche das Klima vergiften? Weil, wenn ja, dann bedeutet das, dass sie nur zum Rechtehaben unter dem Scheinargument der Gender-Gerechtigkeit die Existenz ganzer Menschen verspielen.

      Wenn das so ist, müsste es dann nicht einen massiven Aufschrei geben? Denn dann schädigen diese Menschen ja nicht nur andere, sondern auch noch den Gerechtigkeitskampf an sich. Diesen Aufschrei kann ich aber nicht sehen. Statt dessen schlägt sich die Mehrheit der Menschen doch auf die Seite von den Sexismus-Anklagern. Es wird Schulter geklopft, dass es gut ist, dass Mißstände aufgedeckt werden.

      Hypothese: Der Aufschrei bleibt aus, weil Menschen Angst haben, selbst in die Schusslinie zu geraten. Ich habe beobachtet, dass es Frauen schon schwer haben, wenn sie die Opfer argumentativ in Schutz nehmen, weil es als Verrat am eigenen Geschlechterkampf gewertet werden kann. Und wenn man es als Mann macht, hat man häufig allein schon soziobiologisch keine Chance, dass das Argument zählt, weil es per se sexistisch ist.

      Nur mal als Kontext: Juliane ist nicht irgendeine dahergelaufene Person, sondern hat als Founding editor von Buzzfeed auch noch ein öffentlich wahrgenommenes Amt inne und mit immerhin 8000 Follower auf Twitter ja auch eine gewisse Verantwortung. Der beipflichtende Philipp Schwörbel ist Gründer von krautreporter.de. Das sind ja keine Leute von der Straße. Trotzdem entscheiden sie mit einem Fingerschnippen über das journalistische Aus einer Person und befeuern kriegstreiberisch (anders kann ich es nicht nennen) eine zumindest fragwürdige Gender-Debatte bezüglich Sexismus.

      Wenn das also zu trifft (und es verdichtet sich ja auch noch), dann müssen wir uns dringend Gedanken darüber machen, wie man die Sache deeskaliert, wenn man nicht wirklich einen Kampf der Geschlechter heraufbeschwören will, der für alle nur scheiße ausgehen kann. 🙁

  3. Deeskalation funktioniert leider nur unter Benutzung vernünftigen Denkens, was nicht gerade eine menschliche Stärke darstellt, insbesondere bei so hoch emotionalisierten Themen.

    Ich vermute, daß vielfach einfach die Meinung vorherrschend ist (deshalb das überwiegende Schweigen), dass es zunächst ein Abrutschen ins andere Extrem braucht, um sich gewissermaßen für die generationenlange Ungleichheit zu „revanchieren“, bevor man dann letztlich doch irgendwann in der Mitte landet… (was ein so langwieriger Prozess ist, dass wir dessen Ergebnis wohl alle nicht mehr erleben werden.)

    Bzw. sind solche „Bauernopfer“ vielleicht auch nur einfach eine Möglichkeit, sein Gewissen zu beruhigen, um nicht gegen echte Ungerechtigkeit (Berufschancen, Gehalt etc.) vorgehen zu müssen, was die Sache im Grunde noch perfider macht…

  4. Den letzten Absatz find ich gut. Manchmal glaube ich, die Leute machen das nur, weil sie sich paradoxerweise als Superheld profilieren können. Vielleicht sollten wir alle einfach doch Soziologen werden. 😉

  5. Wo finde ich die existenzzerstörerischen Hassbotschaften? Die oben im Beitrag verlinkten Tweets von Frau Leopold klingen missbilligend, nicht mehr. Es ist ihr gutes Recht, das so zu schreiben.

    Die von Herrn Jung geteilte Fotoserie finde ich, ohne den Kontext zu kennen, einerseits nicht witzig, anderseits aber auch nicht direkt frauenfeindlich.

    Kann es sein, dass der Vorfall eigentlich ziemlich banal ist, dann aber durch zahlreiche Kommentare in sozialen Medien aufgebläht wurde?

  6. Den letzten Punkt sehe ich durchaus schon auch so: Die Existenzvernichtung kommt ja erst zustande, weil jemand den Stein ins Rollen bringt und dann Öl ins Feuer gießt. Spielen ein paar weitere Leute mit, ist Schicht im Schacht. Bei Adria und Hank fand ich das am deutlichsten, bei Leopold und Jung mit Sicherheit etwas schwächer.

    Genau deswegen erwarte ich eine gewisse Verantwortung, wenn man mit solchen Totschlagargumenten um sich wirft. Adria und Leopold hätten die Leute auch direkt ansprechen/antweeten können. Statt dessen hat man an der Person vorbei versucht, eine Beschwerde viral gehen zu lassen. Das ist glaub ich der fehlende Dialog, den auch Möwe schon meinte. Es ist einfach nur öffentlicher Pranger und der gehört für mich zum Mittelalter.

    Recht haben, jemanden anzuprangen? Durchaus.
    Finde ich die Art und Weise so gerecht und menschlich? Nein.
    Hassgetriebene Motivation? Bislang reine Hypothese, das stimmt (aber mir fehlt langsam der Glaube an Blödheit oder fehlender Empathie, gerade bei Leuten, die wissen, wie soziale Medien reagieren – deswegen fand ich den Leopold-Fall hier auch so relevant)
    Existenzzerstörend: Sehe ich mittlerweile als bewiesen an. Diese Leute haben mit Ausnahme von Matt alle umgehend ihren Job verloren.

    Ich finde die Vorfälle ehrlich gesagt langsam nicht mehr so banal – bestenfalls noch inhaltlich. Das passiert mir dafür einfach mittlerweile einen Ticken zu häufig. Vielleicht bin ich aber auch vorbelastet, weil es so häufig Leuten passiert, die ich kenne oder schon länger verfolge und schätze.

  7. Ich bezog mich ausschließlich auf den Fall um Frau Leopold und Herrn Jung. Die anderen Fälle kenne ich nicht.

    Meine Ansicht unterscheidet sich von deiner. Frau Leopold darf Herrn Jung öffentlich kritisieren.

    1. Welchen Beitrag meinen Sie? Bei mir sind drei ersichtlich. Sie müssen allerdings durch mich freigeschaltet werden und das mache ich einmalig pro Tag im Rutsch. 🙂

  8. Ich meinte meinen zweiten Kommentar. Wenn man selbst Kommentare erstellt, werden sie sofort angezeigt, als ob sie schon veröffentlicht wären. Einen Hinweis, dass der Kommentar vor Veröffentlichung geprüft wird, zeigt WordPress in diesem Fall nicht an. Ich bin später mit einem anderen Browser zurück auf die Seite navigiert. Mein Kommentar war scheinbar verschwunden. Das hat mich zwischenzeitlich etwas verwirrt.

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