My Little Pony

Angeregt durch diesen Chaosradio-Podcast über Fandom habe ich mir nun also auch die erste Staffel der mir bis dato nicht wirklich geläufigen Neuauflage von My Little Pony („Friendship is Magic“) angeschaut. Darin erleben sechs weibliche Ponys unterschiedliche Abenteuer, die ihre Freundschaft immer wieder auf die Probe stellen.

Die Mädchen-Serie gilt als Auslöser eines ganzen Fan-Trends namens „Brony„. So bezeichnen sich ältere Fans der Serie, darunter auch vornehmlich junge Männer, die sich für ihre Vorlieben des Pony-Zeichentricks zunehmend mit Rechtfertigungsgründen ausseinandersetzen müssen. Das Phänomen ist zugegeben riesig: So gibt es zum Beispiel in New York eine 3- bis 5-monatige (!), riesige Fan-Convention mit dem Namen BroNYCon. Wikipedia spendiert der Messe gleich eine eigene Seite. Von der unfassbaren Menge an Fanart, Fan-Videos und sonstiger Fandoms zur Serie ganz zu schweigen.

Berühmt geworden ist das Format gemeinsam mit der Hypothese, als ein möglicher Katalysator weiblicher Gender-Aspekte bei Männern zu fungieren. Die Serie habe, so die häufig kolportierte Meinung, einfach einen Dammbruch losgelöst – quasi ein: „Jetzt kommen sie aus ihren Löchern“. Es folgten tausende Gender-Debatten, ob nun die Zeit gekommen wäre, dass Männer auch dazu stehen könnten, von „weiblicher“ Unterhaltung angezogen zu sein, so wie Frauen ja auch schon seit Jahren kein Problem damit haben, einen „männlichen“ Actionfilm zu sehen. Was ist My Little Pony nun?

In erster Linie ist My Little Pony einfach eine schrecklich komische Serie.

Klar, Schöpferin Lauren Faust hatte die Serie an den Sender „The Hub“ ursprünglich als „Girlie-Format“ gepitcht. Und ja, die Hauptdarsteller sind tatsächlich nur „weibliche Ponys“ mit den typisch-femininen Gender-Klischees: Das Party-Girl, äh, Party-Pony. Die Modeschöpferin. Die Sportlerin. Die Bücherratte (Bücherpony?). Das Cowgirl, äh, Cowpony. Und natürlich gibt es auch in der Serie den obligatorischen Zickenkrieg oder Diskussionen über die Frisur der Mähne.

Aber im Ernst: Das kennen wir aus tausenden „normalen“ Formaten auch. Was „My Little Pony“ in meinen Augen so erfolgreich gemacht hat, ist die unfassbare Skurillität der Serie. Tatsächlich mutet sie von Außen wie ein klassisches Mädchen-Format an: Pink und Lila herrschen als Farbe vor. Alles ist wunderschön bunt. Es wird gequiekt und gegackert. Und dem Titel nach geht es um die „Magie der Freundschaft“. Was die Schöpfer aber hervorragend verstanden haben, ist, dieses Setting perfekt auszunutzen, um die Erwartungshaltung des Zuschauers auszuspielen und daraus eine Serie zu generieren, die Mädchen durch ihre Sehgewohnheiten (vermutlich) schnell akzeptieren werden, während alle anderen durch fortlaufende humoristische Einlagen und auch den ein oder anderen Tabubruch überrascht werden. Dabei feuert das Team von völlig überzeichneten Slapstick-Einlagen, über Nerd-Anspielungen und Easter-Eggs bis hin zu schrecklich skurillen Szenen und den miesesten Kalauern einfach alles ab, was geht. My Little Pony ist so hoffnungslos überzeichnet, dass man es eigentlich nur noch als Groteske wahrnehmen kann.

Tatsächlich war die Serie für mich vermutlich das Lustigste, was ich in den letzten Monaten gesehen habe. Ich mein, hallo: Wo findet man sonst eine Pony-Serie, in der ein Pferd minutenlang mit einer Nasenbrille (!!) durch’s Bild marschiert. In einer anderen Szene werden stolz die neueste Errungenschaft eines Dorfes vorgestellt: Pferdekutschen (mit sich abwechselnd fahrend und ziehendn Pferden)! Und wenn Pferde durch die Wüste müssen, nehmen sie den Zug – der ebenfalls durch Pferde gezogen wird. Lokomotive inklusive. Was die Lok da vorne überhaupt soll interessiert sowieso kein Schwein.

Und dann ist da noch Pinkie Pie. Ein Pony, das ohne Zweifel in jeder Folge genauso unter Drogeneinfluss zu stehen scheint wie seine Schöpfer. Jedes Mal, wenn man dachte, man hätte schon alles gesehen, taucht sie überraschend irgendwo auf und lässt einem noch stärker den Kopf schütteln. Höhepunkte zweifelsohne das mehr oder minder grundlose Herumstolzieren mit einem 1-Mann-Tuba-Orchester auf dem Rücken und die völlig unerwartete Lied-Präsentation eines mit Schweinsnase(!) verkleideten Pferdes. Kurz: My Little Pony bringt endlich wieder eine lang vermisste Unberechenbarkeit ins deutsche (Kinder)-Fernsehen, ohne sich dabei auf Kosten anderer lustig machen zu müssen. Tatsächlich macht My Little Pony einfach durchgehend nur gute Laune. Da verzeiht man auch den pädagogischen Grundton – ja, man nimmt ihn sogar gerne als weitere überspitze Satire an.

Aber eine reine Mädchen-Serie ist My Little Pony damit nicht. Sicher, sie sieht auf den ersten Blick so aus. Aber wäre das Machwerk in der Presse anders wahrgenommen worden, hätte es die ganze Gender-Debatte darum glaube ich nicht gegeben. Man könnte genauso sagen: „My Little Pony: Skurille Comedyshow versteckt hinter süßen Ponys“.

Wäre die Serie statt humoristisch beispielsweise brutal, dann wäre sie sofort als eine Art konterkarierende Splatter-Satire wie Happy Tree Friends durchgegangen. My Little Pony macht -sei es nun bewusst geplant oder unbewusst- auch nichts anderes – nur eben vielschichtiger und auf der Ebene des Humor. Nun wäre es aber einfach schlicht vermessen, zu behaupten, Lachen wäre etwas rein weibliches. Lachen möchten alle Menschen gerne – und ich glaube, genau dort rührt der Erfolg der Serie her.

Dass sie nun als eine Art Katharsis für unterdrückte weibliche Gefühle bei Männern angesehen wird, halte ich für weit übertrieben, zumal es auch nur zum Teil den (ja auch sehr großen) Teil an erwachsenen, weiblichen Fans erklärt. Tatsächlich ist die Rechtfertigung der Fangemeinde mehr das Ergebnis einer kurzsichtigen Vorverurteilung von Leuten, die sich von dem äußeren Anschein der Serie haben blenden lassen. In Nerdkreisen wird häufig der innere Konflikt debattiert, dass man selbst nicht wisse, warum man My Little Pony gut finde. Vermutlich wurde am Ende einfach die Theorie der unterdrückten weiblichen Gefühle unreflektiert angenommen und als befereinder Outcoming-Akt zelebriert. Ich selbst bin da sehr vorsichtig, zumal ich diese ständigen Gender-Debatten sowieso nicht abhaben kann und fest daran glaube, dass gute Unterhaltung per se etwas Allgemeingültiges für beiderlei Geschlecht ist.

Anderes Beispiel: Ich könnte auch argumentieren, dass ich ein großer My Little Pony Fan bin, weil die Frauenrechtlerin Kathleen Richter die Serie als überaus „sexistisch und rassistisch“ gerade gegenüber Feministinnen deklariert hatte, und ich als männlicher Chauvenist das deswegen ja nur gut heißen muss. Zack. Plötzlich ist die Sache umgedreht. Dass es das Argument auch von Männern gibt (in der Serie sind nahezu alle männlichen Ponys nur doofe Zugtiere), zeigt irgendwo, wo die Serie eigentlich wirklich liegt und wie wurst das alles in Wahrheit ist.

Klar. Vielleicht spielt die Sexualisierung der Serie bei Männern (und wohl auch einigen Frauen) eine Rolle. Zahlreiche Fanvideos lassen zumindest diese Hypothese aufkommen und immerhin laufen in der Serie ständig verweiblichte, nackte Pferde durch’s Bild, die großkotzig den Schönheitsfleck auf ihrem wohlgeformten Pony-Hintern in die Kamera strecken. Außer in der Sauna. Dort tragen sie sinnigerweise Bademäntel. Und ja, vielleicht arbeiten ja einige männliche Zuschauer an den stereotypischen Ponys Erfahrungen mit ihren Exfreundinnen auf. Aber das bietet eine Fluttershy in My Little Pony genauso an wie eine Kirsten Dunst in Spiderman.

Was definitiv bleibt ist eine urkomische Serie, der hervorragend der Spagat zwischen Pädagogik, Surrealismus und Satire gelingt. Hierfür gebührt dem Team mein absoluter Respekt. Auch der progressiven Vorgehensweise des Herstellers Hasbro ist lobenswert: Die Serie darf nahezu beliebig im Internet hochgeladen und bearbeitet werden. Die Schöpfer stehen in ständigem Kontakt mit den Fans und bauen fortlaufend Anregungen und Easter-Eggs aus der Community mit ein. Unvergessen bleibt zum Beispiel Derpy, ein Pony, das durch einen vergessenen Zeichen-Gag jetzt fortlaufend schielen muss. Das ganze Vorgehen ist einfach vorbildlich – politisch, wie wirtschaftlich wie menschlich. Da gönne ich den Ponys den Erfolg umso mehr.

Eigentlich finde ich es am Ende nur schade, dass wir durch den Gender-Zug es irgendwie versäumt haben, dem Format zu noch Größerem zu helfen. So versauert es zumindest in Deutschland de facto eben doch auf Vormittags-Sendeplätzen, wo es eigentlich das Zeug zu einer Nachmittags-Serie hätte. Denn am Ende ist My Little Pony viel mehr als Kommerz-Beiprodukt. Sie hat sich innerhalb kürzester Zeit zur Autorenserie gemausert und ich bin überzeugt davon, dass die Macher beim Erstellen der Gags einfach nur scheiße viel Spaß haben – und das überträgt sich. Jedenfalls kann ich nicht verstehen, weshalb man immer noch glaubt, die Zielgruppe seien rein junge Mädchen (und eben ein paar verkappte Männer), nur weil die Hauptdarsteller eben weiblich sind.

Ob ich mir die zweite Staffel auch noch anschauen werde? Ich denke schon. 😉

0 Gedanken zu “My Little Pony”

  1. Bis wohin muss ich spulen, dass es witzig wird? Aber wie auch immer, Männer, die ihre unterdrückten, weiblichen Gefühle ausleben wollen, brauchen sowas nicht, für die gibt es schon das perfekte Computerspiel. Mit absolut männlicher Optik. Und total weiblichem Gameplay. Diablo.

  2. Übrigens: Habe mal den Anfang der zweiten Staffel angeschaut, musste aber nach der vierten Folge abbrechen. Die habens echt geschafft, alles was die feine Subtilität und Skurilität der ersten Staffel ausgemacht hat zu Gunsten einer überlauten, pupertären Nonsense-Show zu opfern. Bisher hat bei mir nicht einer der verkrampften Witze gezündert. So geht’s zumindest mir. Umso irritierter bin ich, dass die meisten Leute die zweite Staffel zum Einstieg empfehlen. Ich schiebe das mal auf den Ausstieg von Lauren Faust. Naja, bis dahin wars ein spannendes Experiment. 😉

  3. Ein paar Diskussionen gestern haben mich dazu gebracht, die zweite Hälfte der Staffel zu gucken (zumindest die, die nicht von M. A. Larson geschrieben wurden), und da wird es dann wieder ziemlich hilarious!

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