Avatar

Technisch erwartungsgemäß brilliant. Guter 3D-Einsatz und sogar erfreulich un-aufgesetzt in die Geschichte verworben, die mein 3D-Herz höher schlagen lassen. Fabelhafte Settings, die mindestens an die Kreativität von Myst IV kratzen.

Ansonsten ein typischer Cameron.

Flache Charakere, flache Story, Überlänge. Schlechte schauspielerische Leistungen. Unglaubwürdige oder nicht näher erläuterte Handlungsabläufe. Stakkatoartige Anordnung an Action-Szenen, deren einzige Zweck es ist, möglichst glaubhafte Szenerien für 3D-Effekte, bombastische Settings oder Flug-, Verfolgungs- und Kriegsszenen zu bieten. Sets, die direkt aus Abyss geklauft sein könnten. Roboter, die direkt aus Aliens – Die Rückkehr geklaut sind (nutzt der eigentlich immer die gleichen Bühnenbildner?). Verfolgungskamera. Pan. Schwenk. Zoom. Stakkato eben. Jede Szene komponiert, ohne eine Emmergenz zu erzeugen.

Eigentlich Egal. Ich hatte Popcorn-Kino ohne hohe Ansprüche erwartet und das kriegt man auch tatsächlich. Doch dann versucht der Film sogar über einen längeren Zeitraum eine imperialistisch-kritische, zum Teil auch plakativ-ökologische Gesellschaftskritik durchblicken zu lassen. Das die einem förmlich ins Gesicht geschmiert wird, unterlegt mit katastrophal schlechten Dialogen, verzeih ich dem Popcorn-Kino eigentlich auch noch gerne. Aber als dann die Unterdrückten zum Gegenschlag ausholen, wenn die Protagonisten pathetische Kampfesreden schwingen, der Held einen Drachen zähmt um Anerkennung zu finden und die „Ureinwohner“ mit Maschinengeweheren ausgerüstet werden und das Finale -Vorsicht Spoiler!- sage und schreibe tatsächlich nur eine große Schlacht ist, fühle ich mich als Zuschauer nicht ernst genommen. Sei ehrlich zu mir, Film! Hier hat Avatar mein Wohlwollen plötzlich verloren, das letzte Quentchen Mitfiebern ist in Langeweile umgeschwenkt. Wo bleibt die Überraschung, der Kniff oder die entscheidende Idee, die mich aufhorchen lässt. Der Hinterhalt, die List, meinetwegen gerne auch Wissenschaft und Technologie, welche die Lösung bringt? Nichts. Kein Risiko. Es bleibt Popcorn auf B-Niveau ohne es sich eingestehen zu wollen und Unehrlichkeit nehme ich Filmen, gerade die mehr sein wollen, einfach übel. Und dazu muss ich sagen, hab ich von Avatar vorher weder viel gewusst („blaue Lebewesen kommen vor“) noch irgendeine Szene oder Trailer gesehen geschweige denn bis heute eine Review gelesen. Selten war ich so unvoreingenommen und hab mich vielleicht gerade deswegen von der Sache täuschen lassen. Katastrophenfilm, ich hör dir trapsen. Der Film hätte, schlechter aussehend aber ein Zehntel so teuer, auch ein Roland Emmerich drehen können. Blöd, denn ich hätte mich weniger geärgert, hätte Avatar eine andere Erwartung aufgebaut. So bleibt das Ganze fad, Avatar bis zum Schluß vollkommen und ohne groß nachzudenken vorhersehbar.

Cameron ist Techniker. Eigentlich ist er nicht mal das. Er ist Venture Capitalist. Er beschafft Geld. Er macht die teuersten Filme, kauft State-of-the-Art Technik, mixt sie einmal kräftig durch, gepaart mit einer guten Marketingkampagne und den tausendfach erprobten Klischee-Dramaturgie-Ingreediants wird’s ein garantierter Hit. Aber Cameron kann nicht Regie führen, er hat keinen Sinn für Dramaturgie, Höhepunkte und Wendungen, keinen Sinn für Geschichte, für Charakterentwicklung. Seine Filme haben keine Empathie. Und darum hab ich leider auch keine mit den Protagonisten. Die Geschehnisse auf Pandora interessieren mich verglichen mit dem was möglich wäre einen feuchten Pups.

Mag sein, dass das für Popcorn-Kino genug ist. Mir ist es das nicht. Ich messe den Film immer daran, als was er sich mir verkaufen will. Avatar war für mich in seiner Aussage eine erwartungstechnische Mogelpackung. Und dass es auch Alien-Invasions-Imperialismus-Popcorn-Kino auf höcht kreativem, weil sarkastisch-satirischem, Niveau gibt, hat Paul Verhoeven z.B. in Starship Troopers eindrucksvoll bewiesen. Dass man das Thema auch auf Charakterebene durchexerzieren kann zeigt sich in Steven Spielbergs geplantem (aber dann nur als Computerspiel realisiertem) „The Dig“. Und wie kreative, dramaturgische Filme-Macherei und Charakterdevelopment mit Aliens aussieht, lernst du in Neill Blomkamps „District 9“. Tut mir leid Cameron, du bist und bleibst mir ein Unsympath. Du bist so kalt wie ein unbenutztes Plumsklo, so unterkühlt wie die futuristischen Sets, die du bauen lässt. Ich trau dir keine Leidenschaft, kein Herz zu. Wenn ich Dir aber meines im Kino schenken soll, will ich dich auch aufopfern sehen. So gibt dir der 3D-Junkie in mir gern die 9,00 € dafür, dass Du die Technologie hoffähig machst. In die 2D-Variante wäre ich nicht gegangen. Mach lieber ehrliche Terminator-Action. Sie steht dir einfach besser. Gerne auch wieder in 3D.

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0 Gedanken zu “Avatar”

  1. Wow, selten so eine ausgefeilte Kritik von dir gelesen, setzt du jetzt doch langsam auf Qualität bei deinen Blogbeiträgen oder hat dich der Film einfach so genervt?Abgesehen davon habe ich zu Cameron in etwa dasselbe Verhältnis wie du – sehr treffend ihn als Venture Capitalist zu bezeichnen.

    1. @Geißler: Nö, ich kann am Abend nur ziemlich gut texten. Da setzen bei mir die Filter aus.
      Ich lese die Dinger ja nicht mal Korrektur. Zum Film: Er hat mich garnicht genervt. Ich habe sowas in der Art ja erwartet. Ich war nur tierisch enttäuscht, dass Cameron sich mal wieder als mehr verkauft, als er ist. Das nehm ich solchen Filmen übel. Macht ehrliches Popcorn-Kino und ihr kriegt mein Wohlwollen. 🙂

  2. Nach meiner Ansicht macht Cameron hier das, was er am liebsten tut: er erzählt eine kleine, einfache Liebesgeschichte vor einem bombastischen Hintergrund, ganz in der Tradition der Science Fiction. Sie ist emotionell nachvollziehbar und exotisch verpackt, sie folgt den Regeln der eskapistischen Unterhaltung in jeder Hinsicht. Jeder, der ein Drehbuch schreibt, muß sich an diesem Punkt entscheiden, für wen er sein Werk schreibt. Unterhaltung möchte gesehen werden. Insofern ist die Möglichkeit, mit State-of-the Art-Technik zu beeindrucken, sicher eine willkommene Erleichterung bei der schwierigen Aufgabe, ein globales Publikum zu begeistern. Der Film hat durchaus eine Botschaft, die vom Publikum mit einem Augenzwinkern oder mit Kritik zur Kenntnis genommen wird. Als soziologisches Ereignis kann eskapistische Unterhaltung systemstabilisierend sein, klar, aber über diese Kategorien sind Leute wie Cameron hinausgewachsen. Er kommt aus der anglo-amerikanischen Erzähltradition des zwanzigsten Jahrhunderts, im Gefolge von Heinlein, Bourroughs und Howard, aber nicht nur daher, wie man sehen kann, und er hat sich um die Anspruchshaltungen einer kleinen Oberschicht in Mitteleuropa selten Gedanken gemacht. Ganz folgerichtig wurde also hier in erster Linie ein erfolgreicher Film produziert, in erster Linie erfolgreich: conditio sine qua non. Und wer als Regisseur die Chance hat, einen 200 Mio $ Film zu produzieren, der wird das tun, und er wird mit jedem nur erreichbaren Teufel dafür ins Bett steigen- wobei das Cameron, im gegensatz zu Petersen und Emmerich gar nicht gemacht hat. Ich rate also davon ab, eine Qualitätsdebatte auch nur anzufangen. Es ist fruchtlos und endet in der sinnlosen Debatte, ob Massenunterhaltung literarische und künstlerische Qualität besitzen muß. Mit dem Verbreitungsgrad eines Films kommt die Forderung nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner sehr verschieden denkender Menschen.
    Persönlich hat mir der Film schon deswegen gefallen, weil die Indianer mal gewinnen…. und weil menschliche Gefühle im Vordergrund der Handlung stehen, es geht um Liebe, Integrität, Mut, Tapferkeit, Verständnis, Hilfe und Freundschaft. Die Bösewichter sind die(klar und deutlich gekennzeichneten) Säbelrassler, und sie müssen als sprichwörtlich verprügelte Zwerge am Ende in ihr winziges Aircraft steigen und und heimfliegen in ihre kaputte Heimat, während der Beste von ihnen selbst einer der Aliens geworden ist und sie gegen die eigenen Leute angeführt hat. Herr Emmerich und Herr Petersen waren da weitaus angepaßter zugange, das kann ich mir an dieser Stelle nicht verkneifen.
    Die Faszination der 3D Welt schlägt Myst IV um Längen, schon deswegen, weil hier auch der cast vorhanden ist. Ich hab selten so gut idealisierte Ureinwohner gesehen- Rousseau wäre sehr zufrieden gewesen.
    In technischer Hinsicht ein dankenswerter Vorstoß: hier ist dermaßen viel gute, neue Visualisierungssoftware entstanden, daß wir uns darauf freuen können, wie sie im nächsten Jahr in die 3D Pakete einfließen wird, die wir selbst kaufen können. Die Layertechniken in 2D und 3D, die Shader, die Partikelsysteme und Postpro- Techniken sind ein gutes Stück vorangekommen. Und das wird z. Bsp. den Games, die nicht viel mehr als 3D Action bieten wollen, zugute kommen.
    Übrigens, Spoiler sind in dem Falle gar nicht möglich… die Story hat Karl May schon im 19. Jahrhundert bei Winnetou 1 geschrieben. Allerdings wird Ntscho Tschi da noch als hilfloser Bystander abgeknallt, während sie hier kämpfen darf(und wie) und gewinnt. Das ist doch schon mal was. Da hat mir der der Herr Cameron einen langgehegten Wunsch erfüllt.;D

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