Peinliche Beweisführungen

Ganz im Ernst: So wirklich genau nahm man es bei dem Fall Winnenden ja scheinbar nicht. Weder in der Presse noch bei der Polizei. Diese verbreitet am Mittwoch den ultimativen Beweis, dass Tim K. ganz sicher als Attentäter identifiziert. Sofort gibt es von Innenminister Rech eine entsprechende Pressekonferenz: ‚Am Mittwochabend meldete sich der Vater eines 17-Jährigen aus Bayern und berichtete über einen Internet-Chat, den sein Sohn in der Nacht zuvor geführt habe. Der Sohn hatte sich nach der Medienberichterstattung über diese Tat in Winnenden an seinen Vater gewandt, und demnach war im Chatroom eines Internet-Portals in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch gegen 2.45 Uhr kurz vor der Tathandlung folgender Eintrag eingestellt worden: ‚Scheiße Bernd, es reicht mir, ich habe dieses Lotterleben satt,immer das selbe – alle lachen mich aus, niemand erkennt mein Potenzial. Ich meine es ernst Bernd – ich habe Waffen hier, und ich werde morgen früh an meine frühere Schule gehen und mal so richtig gepflegt grillen. Vielleicht komme ich ja auch davon. Haltet die Ohren offen. Bernd, ihr werdet morgen von mir hören. Merkt Euch nur den Name des Orts Winnenden. Und jetzt keine Meldung an die Polizei, keine Angst, ich trolle nur.‘ Der Sohn hatte diese Ankündigung nicht ernst genommen und mit dem Internet-Kürzel (…) lol quittiert – was so viel bedeutet wie laughing out loud, zu Deutsch also: Ich lach mich kaputt.‘ Die Wahrheit: Dieser angebliche Foreneintrag ist eine Fälschung. Eine wirklich schlecht gemachte noch dazu, die mit dem blosen Auge zu identifizieren wäre. Tatsächlich hatte einfach jemand einen Screenshot mit Photoshop retuschiert. ‚Weil die Polizei die Verantwortlichen von krautchan.net in Deutschland nicht kontaktiert habe, sei man selbst aktiv geworden, sagte der Moderator. Eine telefonische Nachfrage bei der Polizei endete aber nach seinen Angaben in drei von fünf Versuchen mit einem Auflegen. Ein weiterer Versuch sei mit «Wir sind nicht zuständig» und auflegen beendet worden.‘ (Quelle) Öööhm. Tja, peinlich. Nächstes Mal bringe ich auch ein paar verleumderische Sachen in Umlauf. Die Polizei scheint sich ja nicht die Bohne für eine korrekte Aufklärung zu interessieren. ,-) Im Ernst, hier wird immerhin etwas als Beweis in einer schwerwiegenden Ermittlung verkauft (sowie natürlich im Folgendem als Grundlage für die weitere Einführung von Internetzensur gerne genutzt). Als die entsprechende Webseite selbst eine Stellungnahme postet rudert die Polizei zurück: Die Informationen des Innenministeriums seien falsch. Blöd nur, dass sogar die Polizei selbst eben jene Informationen verbreitet hat. Ein Ermittler der Polizei selbst habe ausgesagt, Tim K. habe von seinem PC aus diesen Eintrag verfasst. Herr Rech hatte sich nur auf die Informationen seiner Amtskollegen verlassen und entsprechend medial präsentiert. Immer wieder eine Freude zu sehen, wie toll in dieser Welt manchmal Aufklärungsarbeit geleistet wird.

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