obike – Erste Testfahrt in München

Der Bikesharer Obike ist in letzter Zeit ein riesiger Aufreger in München. Als Sharing-Nutzer kann ich die Aufregung nicht verstehen.

Da heißt es, die Räder verschandeln „unsere Stadt“. Zahlreiche obikes sollen schon aufgeschlitzt und in großem Stil aus Frust umgeschmissen worden sein. Allein deswegen sehe ich die Debatte schon als vergiftet an. Eigentlich sollte man ein System, dass für weniger Abgase und Treibhausgase sorgt, doch eher begrüßen und nicht dafür sorgen, dass nigelnagelneues Eigentum mutwillig zerstört wird. Dass man sich über Farben streiten kann, ist zwar richtig – aber das sind eben Geschmacksfragen. Manche mögen blau nicht und für die sind dann die MVG-Räder ebenso ein Dorn im Auge.

Weiterer Knackpunkt: obike sammelt Daten. Das stimmt. Andererseits steht es jedem selbst frei, welche privaten Anbieter er nutzt oder nicht. Einen Unterschied zu den Profilen die ein Google oder Facebook erstellen, ist kaum erkennbar. Auch jedes Handy kann GPS-Profile nach Hause funken.

Und dann gibt es da noch das Argument, sie nähmen viel zu viel Platz weg, das Abstellen an der Straßenseite sei illegal, die Werbung auf den obikes sowieso. Da fragt man sich schon echt, wer sich diese Argumente ausgedacht hat. Jemand, der den Markt kennt jedenfalls nicht. Denn Bikesharing gibt es in München schon seit langem. Die Einführung der MVG-Räder wurde damals groß begrüßt und gegen Marktführer Call-a-Bike hat sich noch nie jemand wirklich aufgeregt.

Es stellt sich also wenn dann überhaupt die Frage, ob man Bikesharing in der Landeshauptstadt will oder nicht – es spielt gar keine Rolle, ob es nun obike, MVG oder Call-a-Bike ist. Die sind vom System her nahezu eh alle identisch.

Das Platzargument ist das dabei hinrissigste, denn jedes private Rad, dass man abstellt, nimmt mehr Platz weg. Sharebikes sind immerhin dauernd in Bewegung. Ein Call-a-Bike steht stelten länger als eine Nacht am selben Fleck. Ein geparktes Privatrad dagegen oftmals Tage. Manchmal werden sie nie mehr abgeholt. Wie man die neuen obikes als „Müll“ aber die tausenden an abgestellten, verrosteten Privaträder nicht als Müll bezeichnen kann, erschließt sich mir nicht. Von geparkten Autos mal ganz zu schweigen. Auf manchen Parkplatzflächen kann man sicherlich an die 10 obikes parken, während der Privatwagen im schlimmsten Fall tagelang die Straßeseite blockiert – von vielen Verkehrsexperten wurde diese „Privatisierung des Staatsgrundes“ schon manchmal als Hauptproblem der Verkehrssystem der Zukunft deklariert.

Man muss nicht diese Meinung vertreten, aber eins steht doch „unumstößlich“ fest: Sharing-System sorgen für deutlich mehr Platz in der Stadt, weil Privateigentum nicht mehr abgestellt wird. obikes bewirken also genau das Gegenteil von dem, was ihnen vorgeworfen wird. Das einzige, was das System von den Mitbewerbern unterschieden hat, war der unfassbar schnelle Rollout von mehreren tausend Rädern über Nacht. Das einzige, was nun passieren muss, ist, dass sie genutzt werden und sich die Räderpulks damit besser in der Stadt verteilen – so wie bei den anderen stationslosen Systemen auch.

Und wenn dies nicht der Fall sein sollte? Was, wenn die obikes tatsächlich wie „Müll“ rumstehen, also wie viele andere private und ungenutzte Räder? Na, es wäre nicht das erste Mal, dass ein Anbieter sich aus München dann wieder zurückzieht. Denn Sharebikes, die nicht dauerhaft in Bewegung sind, verdienen kein Geld. Das Problem, dass hier sommerlochartig beschrieben wird, ist also eigentlich keines und löst sich im schlimmsten Fall von selbst.

Lohnt sich nun die Nutzung von obike? Heute kann man sie gratis ausprobieren und ich habe es getan:

Summa Summarum – Die Bikes sind zwar ordentlich verarbeitet und die App funktioniert gut und schnell, es gibt aber ein paar Einschränkungen:

Der Verschlussmechanismus funktioniert nicht wie bei Call-a-Bike via Kommunikation mit dem Internet sondern via Bluetooth. Wer das Rad verschließen will und sein Handy hat keinen Akku mehr, schaut in die Röhre und bezahlt erst mal. Das gleiche gilt, wer zu schnell sein Rad verlässt, bevor der Verschluss vom Rad via Bluetooth an die App gemeldet wurde. Ohne App geht ohnehin gar nichts. Call-a-Bike ist hingegen völlig App unabhängig. Da kann man sogar via Telefonanruf ausleihen und ein Zuziehen des Schlosses beendet die Fahrt auch ohne eingeschaltetes Handy.

Preislich lohnen sich die Bikes nur für Wenignutzer. Sie liegen mit 1 € pro halber Stunde gleich auf mit dem Standardtarif von Call-a-Bike, haben aber keine Monatsgebühr. Wer nur ganz selten ganz kurze Strecken fährt kann mit dem MVG-Rad sogar besser dran sein, dort gilt ein Minutenpreis. Bei Intensivnutzern haben beide Konkurrenten hingegen deutlich die Nase vorn. Zum Preis von 36 bis 49 € pro Jahr (je nachdem, ob man Abokunde ist, ne Bahncard hat oder eben nicht) fährt man bei Call-a-Bike und MVG 30 Minuten lang kostenlos. Das reicht für nahezu jede Fahrt in der Stadt. Schließt man das Rad ab und fährt später mit einem anderen weiter, gelten diese 30 Freiminuten erneut. Quasi Flatrate-Radln. Außerdem muss bei diesen Systemen keine Kaution hinterlegt werden. Wer also im Jahr mindestens so viel fährt wie der Jahrespreis der Flatrate der Mitbewerber, kommt dort günstiger weg (und radelt ab dann quasi gratis).

Das größte Manko: Die Räder haben nur einen Gang und fahren sich damit wirklich mies. Ich kann mir eh nicht vorstellen, dass man damit länger als 30 Minuten fahren möchte. Auch der Korb ist relativ klein. Kein Vergleich zu den dann doch recht luxuriösen Call-a-Bikes samt Spanngurtsystem. Für mich ist obike damit keine Alternative.

Zwei Vorteile gibt es aber:

Zum einen die schiere Menge an Rädern. Dort wird es jetzt darauf ankommen, wie gut die sich im Stadtgebiet verteilen, damit man immer überall eines findet. Call-a-Bike will aber scheinbar bereits aufstocken. Mal schauen, ob es dann wieder einen Aufschrei gibt.

Zum anderen das größere Stadtgebiet. Call-a-Bike limitiert Fahrten immer noch mit dem mittleren Ring. Der Flaucher fällt dort also z.B. raus.

 

Wer möchte kann heute obike noch kostenlos testen. Jede Fahrt mit der App ist gratis. Danke an Stefan für den Tipp!

Übrigens: Als ich heute meine Testfahrt beenden und das Fahrrad abstellen wollte, bin ich übrigens natürlich sofort angepflaumt worden, dass das Rad im Weg stünde. Das ist mir mit Call-a-Bike noch nie passiert. 🙁

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