Keine Liebe für Disneyland Paris auf der D23-Expo

IMG_2645.JPGAuf der diesjährigen Expo von Disney regnet es wieder mal Attraktions-Ankündigungen ohne Ende für Walt Disney World und das Disneyland: Tron-Coaster, Ratatouille, mehr Guardians of the Galaxy, großer Mickey-Ride, neues Gondelsystem, Star War’s Galaxy Edge mit zwei riesigen Star-Wars-Attraktionen, neues Star Wars Hotel inkl. Storyline., neues Toy Story Land…

Die Ankündigungen für Disneyland Paris: Eine Iron-Man-Ausstellung im Hotel New York mit dem Namen „The Art of Marvel“!

Das stimmt durchaus ein wenig nachdenklich, denn erst im Frühjahr hat die Walt Disney Company den defizitären Betrieb in Paris übernommen – und damit wartete die Fangemeinde eigentlich auf das dringend notwendige Signal für einen Kurswechsel hin zu einem erfolgreichen Resort, das sich weiter entwickelt. Seit Jahren tritt Disneyland Paris auf der Stelle. Der Europa-Park holt immer mehr auf, hat bereits das 2nd Gate, den Walt Disney Studios Park in Paris, eingeholt. Die Besuchszahlen im „DLP“ sind zweistellig rückläufig.

Oder anders gesagt: Ich erwarte ja keine große Attraktionsankündigung, aber zumindest ein öffentliches Bekenntnis zum Park, den man immerhin gerade einen Monat zuvor adoptiert hat. Und wenn man gesagt hätte: „Wir haben einen großen Masterplan, der in den nächsten 10 Jahren das ganze Resort zu einer Spitzendestination macht“ hätte es mir persönlich schon gereicht. Statt dessen macht man das gleiche wie immer: Man kündigt großspurig eine „Neuheit“ direkt parallel zu den (wirklich großen) Neuheiten der amerikanischen Parks an und stellt als Kunde danach gleich fest, dass es wieder nur eine aufgeblasene Umgestaltung ist – von denen in Paris bislang viele mehr als kontraproduktiv waren:

Aus dem geliebten Space Mountain wurde das fade Mission 2, daraus jetzt das unpassend thematisierte Hyperspace Mountain. Das ebenso beliebte Blue Lagoon-Restaurant wurde in ein Restaurant rund um Captain Jack umthematisiert – mit Hilfe von Piraten-Flaggen im Gesamtwert von vermutlich 10 Euro. Und auch die Renovierung von Big Thunder Mountain im letzten Jahr, als fast der ganze Park eine einzige Baustelle war, hat nicht gefruchtet: Bald schließt die Achterbahn erneut, weil die Renovierung die Probleme nicht behoben sondern verschlimmbessert hat. „The Art of Marvel“ reiht sich nahtlos in dieses „same old same old“ ein, nämlich alte Kammellen als Neuheiten verkaufen.

Es ist eine Mogelpackung, die ich früher eher dem finanziellen Engpass in die Schuhe geschoben habe. Tatsächlich spielt jetzt die Mutter genau das gleiche Spiel. Wie soll ich dann als Kunde, Liebhaber und Ex-Aktionär Vertrauen haben, dass es nun endlich aufwärts gehen soll, wenn sich scheinbar -trotz Buy-Out- nichts ändert? Es kann doch nicht sein, dass man als neue Mutter absolut nichts anderes zum DLP zu sagen hat, als das.

Gut möglich, dass die Mutter trotzdem großes mit dem immer noch total unterentwickelten Areal vor hat. Vielleicht gibt es da schon große Pläne, von denen wir nur noch nichts wissen (vom CAPEX-Plan mal abgesehen, der sieht ja erst in 7-8 Jahren überhaupt eine neue Headliner-Attraktion vor!). Mir persönlich reicht das nicht. Ein Bekenntnis muss her.

Denn wenn drei Kinder an Weihnachten beschenkt werden, zwei eine tolle Spielekonsole kriegen, die Eltern sagen „Ich liebe dich!“ und dann das dritte nur kommentarlos einen Lutscher kriegt und veilleicht der Onkel dann flüstert „Aber dein Papa wird dir in 5 bis 10 Jahren auch eine Spielekonsole schenken und dich dann auch lieben“ dann kann man dem Onkel wenn man will zwar glauben und sich damit trösten, aber immer noch sagen, dass es eine Scheißaktion war, die das dritte Kind vor allen anderen blos stellt. Genau das passiert mit Paris auch dieses Jahr wieder auf der Disney-Expo.

In einem Forum hat man dann gesagt: Es geht eben am Ende ums Geld und nicht um Gleichberechtigung und Nächstenliebe. Ich seh das ja anders.

Denn wenn du dein Kind liebst und es ihm das wissen lässt, dann ist das auch ein Invest. Ein Kind, dass sich geliebt fühlt, ist erfolgreicher im Leben, weil es weiß, dass es etwas wert ist. Kinder, die nicht geliebt werden, stellen sich selbst in Zweifel und haben es generell schwerer.

Klar geht’s ums Geld. Aber Disney hat auch selbst mal ganz hart gelernt, was es bedeutet, wenn man seine „Kinder“ nicht „liebt“ und glaubt, es geht auch ohne dieses „Invest“:

Warum sind die Walt Disney Studios in Paris kein vollwertiger Park? Weil man an den Standort durch die vielen Rückschläge nicht mehr geglaubt und nicht investiert hat. Man hat ihn nicht „geliebt“. Man „musste“ ihn bauen. Heute leidet der ganze Park darunter. Bei „WDS“ muss man ja im Prinzip jetzt den ganzen Park umbauen, damit der wieder auf dem Level mitschwimmt, den Disney eigentlich von seinen Kindern erwartet. Dieses fehlende Invest rächt sich jetzt. Das Kind ist nicht erfolgreich. Bei Disney’s California Adventure gab es jahrelang ein ähnliches Problem und selbst Animal Kingdom hat unter dieser reinen Businessdenke gelitten (denn wer hätte gedacht, dass Disney irgendwann einfach eine Kirmes à la Primeval Whirl bauen würde? Haben sie gemacht. Weil sie echt mal dachten: Geht doch auch ohne Thematisierung!).

Es geht eben nicht nur ums Geld. Die Produkte, die Disney verkauft, sind hoch emotional. Als jemand, der selbst in der Branche arbeitet, kann ich sagen, dass man zumindest deutlich weniger Erfolg hat, wenn man seine Babys eben nicht liebt und versucht, sie zur Blüte zu bringen. Man kann Attraktionen, Filme, Musik, Spiele & Co nicht rein nach betriebswirschaftlichen Ergebnissen betreiben. Du brauchst schon auch kreative Menschen, die das lieben, was du machst – und in deren Produkte musst du investieren, nicht nur in dein Controlling, sonst wird es halbgar.

Als das Problem in den USA akut wurde hat Disney übrigens etwas Cleveres gemacht, nämlich Lasseter mit an Bord von Walt Disney Imagineering geholt, der genau diese Krätsche aus Liebhaberei (war ja lange Castmember und kennt die Parks aus dem efef) und Business (Apple, Pixar) mitbringt und das ganz genau verstanden hat. Er hat damals auf der Expo gesagt: „Wir hören euch. Wir wissen, es ist nicht gut, was wir getan haben. Ich werde es beheben. Wir hören den Fans zu.“

Lasseter war der Ansicht, es müssen erst mal neue Headliner her, bevor man die Parks repariert. Er hat dann zunächst angefangen, das Problem bei California Adventure zu beheben, in dem er für viel Geld das Cars Land entwickelte, Animal Kingdom bekam das Greenlight für Avatar Land (auch teuer), die Walt Disney Animation Studios wurden neu aufgestellt (Ergebnis: Wreck-it-Ralph und Zootopia, ein Level das vorher nur Pixar erreicht hatte) und mich würde es nicht wundern, wenn Lasseter sogar Ratatouille kräftig mit gepusht hätte (er war ja beim Scouting im „WDS“ zu sehen) – die einzige sinnvolle Entscheidung für das „DLP“ über Jahre, wenn man mich fragt.

Die Investitionen waren enorm. Allein Cars Land kostete über 1 Milliarde Dollar. Es war unklar, ob es das „DCA“ aus der Krise helfen würde. Aber -und das verstanden die Businessträger bei den Fehlentscheidungen und Budgetkürzungen damals nicht- Menschen erkennen die Liebe, die in diesen Medienprodukten stecken, und honorieren es. Effektiv hat sich das Invest für Disney voll ausgezahlt. Und seitdem fährt Disney mit seinen großen Parks genau diese Schiene. Für „DCA“ hat Lasseter dann dieses Jahr den Umbau des Piers zum Pixar-Theming angekündigt (was sozusagen die zweite Phase nach den Headlinern darstellt und so langsam die problematische Idee eines „billigen“ Pier-Parks behebt).

Was sagt uns das über das Disneyland Paris?

Dort ist nie etwas vergleichbares passiert (Ratatouille mal ausgenommen – das war aber auch ein vergleichsweise kleiner Maßstab – zudem bald nicht mal mehr exklusiv). Lange konnte man es auf die schlechte finanzielle Lage der SCA, des Betreibers, schieben. Das ist jetzt seit dem Buy-Out so nicht mehr wirklich möglich. Man muss die Frage stellen, warum diese Investitionen ins „DLP“ auch jetzt weiterhin nicht angekündigt wurden, obwohl die D23-Expo ein idealer Platz dafür gewesen wäre.

Entweder kommt da später nochmal was, und Disney beweist, dass sie das DLP doch „lieben“ und für ein Investment bereit sind (das ist meine Hoffnung).

Oder es geht am Ende wirklich nur ums Geld und „DLP“ wird rein nach defensiven Controlling-Mechanismen geführt. Die Entscheidungen treffen dort dann Businessleute, die sagen: „Läuft halt nicht. Da macht ein riskanter Invest keinen Sinn.“ Man fährt den Park immer nur so weit, wie man unbedingt muss, um zumindest beim DLP nicht den Spitzenplatz zu verlieren (weil das blöd aussieht, ein paar Jahre hat man ja noch). Das wäre genau der gleiche Fall wie damals bei „DCA“. Für das WDS käme dann im besten Fall noch ein Umbau zu Pixar und Marvel in Frage, aber das Lasseter-Prinzip mit „Headliner first“, damit die Besucher wieder Vertrauen gewinnen, würde nicht zum tragen kommen. Wir würden vielleicht das neue „Mission Breakout“ bekommen und dafür den Tower of Terror verlieren – effektiv also keine neuen Attraktionen erhalten, sondern eben nur andere – genau das, was jetzt auch schon seit Jahren passiert. Und das aus dem einfachen Grund: Weil es gerade noch so reicht. Und weil DLP und gerade auch WDS dann auch weiterhin nicht aus dem Startloch kommt, würde es damit auch so bleiben.

Anders gesagt: Bereits heute liegt „WDS“ hinter dem Europa-Park. Es ist der am schlechtesten laufende Disney-Park. „Warum sollten wir in sowas noch investieren? Warum sollte es das WDS genau so gut haben wie sein Cousins in Orlando, wo er sich doch so schlecht entwickelt? Warum sollte er gleichberechtigt sein?“ So kann das aber nicht funktionieren. Lasseter hat das erkannt. Er weiß, dass die Menschen nicht blöd sind – Keine Investition, keine „Liebe“ ist Stillstand. Zumindest bei den Produkten, die Disney primär macht – nämlich emotionale Marken.

Ich fürchte seit dieser Expo tatsächlich ein wenig mehr, dass das DLP von Disney als einziger Park ganz bewusst auf der reinen Controlling-Ebene gefahren wird, wo ein paar Leute nur mit Zahlen hantieren und dann versuchen, auf diesem Level den Betrieb zu organisieren, weil man einfach nicht an den Standort glaubt, nicht an seine Mitarbeiter glaubt oder einfach an keinen größeren Erfolg glaubt, der eine richtige Investition rechtfertig. Wenn das so ist, dann wäre das desaströs. So funktioniert dieses Business einfach nicht und es wäre eine klare Spirale abwärts.

Nein, ich glaube nicht an das „Money First“. Es müssen Visionen, Ideen und Investments her. Anders wäre das original Disneyland, anders wäre die ganze Disney Company nie entstanden. Ich bin gespannt, was da jetzt in den nächsten 2-3 Jahren passiert.

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