Erste Anwälte beurteilen G20-Ausschreitungen

Dass man in der Hitze des Gefechts in der Regel keine Antworten findet, ist üblich. Ob das Verhalten der Einsatzleitung beim G20-Gipfel nun unverhältnismäßig und undemokratisch war oder ob es angesichts der Randale, die sich ab den Abendstunden entlied notwendiges und verständliches Übel ist – darüber wurde überall heftig diskutiert.

Mir gehen solche Meinungsheischerei und Pseudo-Solidaritätsbekunden auf den Sack. Als Demokrat glaube ich zunächst erst mal an den Rechtsstaat – und ja, ich glaube auch, dass Deutschland weiterhin fähige Gerichte hat, die genau diese Fragen auch klären können. Insofern gebe ich gegenwärtig nicht viel auf Meinungen von Demonstranten, auf Meinungen von der Polizei oder der Politik. Erst recht nicht auf Meinungen in sozialen Netzwerken, wo 99,97% aller Teilnehmer glauben, das Geschehen ferndiagnostisch in Gänze verstehen zu können.

Meinungen von Leuten, die es wissen müssen, nämlich von Anwälten, welche die Sachlage später rechtlich beurteilen, die interessieren mich aber durchaus. Sie werden es am Ende sein, die es -gemeinsam mit den Gerichten und Historikern- auf den Tisch bekommen, wenn die Emotionen längst runtergekocht sind.

Der Republikanische Anwältinnen und Anwälteverein e.V., der u.a. von Gerhard Schröder und Otto Schilly gegründet wurde, war in Hamburg vor Ort und hat schon vorgestern eine erste, offizielle Stellungnahme dazu abgegeben, die in ihrer Drastigkeit aber dann selbst mich überrascht hat. Es spricht Gabriele Heinecke, die mit mehreren Anwälten den Notdienst vor Ort besetzt. Wer Anwaltssprache kennt wundert sich vielleicht auch, wie konkret sie hier den Vorwurf der „Lüge“ in den Raum wirft (was auf der Google-Bewertungsplattform bereits zu einer Hetzkampagne gegen sie geführt hat, was man nur verachten kann).

Mir ist dabei natürlich bewusst, dass es sich dabei um Strafrechtler handelt, die sich generell für das Recht des Einzelnen einsetzen. Das ist ihr Job. Und natürlich muss auch klar sein, dass de RAV e.V. politisch ist, sonst hätte er den Notdienst auf dem G20 gar nicht eingerichtet. Aber dass sich eine ganze Anwaltschaft zu so drastischen Aussagen hinreißen lassen, finde auch ich erstaunlich:

Auf der Webseite des RAV Hilfsdienstes werden weitere Beschwerden mitgeteilt. Genannt werden Hausverbot für Anwälte und körperliche Angriffe (hier). Man muss die Arbeit des RAV nicht unterstützen (auch wenn ich keinen Grund sehe, warum man das dem Prinzip nach nicht tun sollte), um zu sehen, dass hier ganz offensichtlich Rechtsverletzungen in hohem Maßstab durchgeführt wurden. Bei solchen rechtlichen Aufschreien von unbeteiligten Leuten, deren Aufgabe es ist, die Prinzipien des Rechtsstaates zu wahren, sollte man dann denke ich doch mal hellhörig werden. Dabei spielt es dann nämlich gar keine Rolle mehr, ob die Gefangenen nun schwarzer Block, friedlicher Demonstranten oder einfach Vandalen sind. Der Rechtsstaat gilt in einer funktionierenden Demokratie nämlich ersatzlos.

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